Je ne regrette rien


Ablauf
Ich betrete die Bühne mit meinem Koffer und meinem Reiserucksack auf dem Rücken. Alle meine Sachen, die ich auf die Reise nach Marseille mitgenommen habe, befinden sich in diesen Gepäckstücken. Auf der Bühne steht der Käfig. Vor dem Sessel ist die Decke aus der Performance „Spezies Artist 2“ ausgelegt.
Ich fordere das Publikum auf, sich auf die Decke zu setzen. Meine Geschichte beginne ich mit „Es war einmal...“
Ich erzähle vom gerade verlorenen IPhone und vom zerstörten Computer. Von meinem Koffer, den ich vor einem Jahr auf einer Reise nach China nicht mehr wiederbekommen habe.
Ich biete alle Gegenstände aus meinem Gepäck als Geschenke den Zuschauern an. Von jedem bedeutenderem Stück erzähle ich seine Geschichte. Z.B von meinem Reisehandtuch, das ich vor 22 Jahren in Portugal gekauft habe. Oder von den Adidas- Turnschuhen, die aus Känguruhleder sind und ein Geschenk von meiner besten Freundin. Zuerst zögerlich, dann mutiger bedienen sich die BesucherInnen an meinem Hab und Gut.
In einen Müllsack auf dem „puor Doro“ (für Doro) steht, können sie Dinge tun, von denen Sie glauben, dass ich sie unbedingt benötige, um nach Hause zurück zu kehren. Mein Geldbeutel wird dort sofort hineingetan.
Das Ersatzhandy, der Computer und auch der Koffer finden schnell neue Besitzer. Einige Kleidungsstücke bleiben zurück. Neue Kleidung, die gerade in Italien gekauft habe, wird mitgenommen. Die Kuratorin nimmt sich das rote Kleid, das ich auf einer anderen Performance in Marseille getragen habe. Ich lasse die Leute beim Aussuchen alleine und wende mich dem Käfig zu. Wie viele Künstler, wenn sie denn kein Gepäck haben, gehen in einen Transportkäfig? Es finden sich sofort Mitwirkende. 9 KünstlerInnen, mich eingeschlossen füllen einen solchen Käfig.
 
Konzept
Ich habe anderen Projekten (Life is a ponyfarm und Spezies Artist) versucht, Menschen Einfluss auf mein Leben und meine Kunst nehmen zu lassen. Sie konnten mein Leben/mein Kunst mit-formen, indem sie mir diverse Angebote gemacht haben, mich ernährt haben oder mir Gegenstände haben zukommen lassen, von denen sie denken, dass ich sie brauchen kann. Das Resultat war verhältnismäßig dürftig.  Dies, der Verlust meines Koffers vor einem Jahr und meine Selbst-Sabotage, Wertgegenstände, Lieblingsobjekt zu verlieren oder zerstören, brachte mich auf den Gedanken, meinen Besitz willentlich herzugeben. Die drei Tage seit der Entscheidung und vor der Performance waren ein Kampf des Loslassens. Eigenen Besitz bewusst in den Händen anderer zu wissen, ist weniger schmerzhaft, als etwas zu verlieren oder zerstört zu wissen ohne Einfluss darauf zu haben.
Wie wird der Gegenstand nun im  Haushalt des Erwerbes genutzt? Als Kunstobjekt? Oder als Gebrauchsgegenstand? Ist das in Jahrzehnten abgenutzte Handtuch für jemand anderen nicht einfach nur ein abgeschabtes Handtuch?
Wird mein geliebte Objekt zu Kunst, wenn es im Rahmen der Performance in die Hände andere übergeht oder verliert es an Wert, wenn es nicht mehr die Aufladung durch den eigentlichen Besitzer hat?
Gleichzeitig behandle ich die PerformanceküstlerInnen, die sich im Theater befinden, wie Ware. Ich lasse sie in den Käfig steigen, der zum Transport von Waren bestimmt ist. Sie werden zu transportfähiger Masse. Wieder stellt sich die Frage, ob der Performance-Künstler selbst Kunst ist und ohne sein Equipment als Objekt einen Wert hat.
Die Besucher, die sich an meinem  Besitz bedient haben, quälen Schuldgefühle. Sie fühlen den Drang, mir ebenfalls Dinge zu schenken, oder wertvolle Objekte zurück zu geben. Ich bekomme den Koffer und den Computer zurück. Ein Künstler schenkt mir das Jacket, das er seit 20 Jahren bei seinen Performances trägt.
Eine nackte Künstlerin im Käfig triggert weniger die Schenkungsbereitschaft seiner ZuschauerInnen, als eine, die versucht sich ihres Besitzes zu entledigen.
Muss ich besitzen um zu bekommen? Oder zumindest zeigen, dass ich bereit bin zu geben.
Wie wird es messbar, wie ephemere Kunst einen Rezipienten bereichert?